PANDEMIEBEDINGTE KURZARBEIT – GRUND ZUR KÜRZUNG DES URLAUBSANSPRUCHS?

18. MÄRZ 2021

Nach dem Bundesurlaubsgesetz steht jedem/r Arbeitnehmer/in gesetzlich ein Erholungsurlaub zu. Zweck des Urlaubs ist die „selbstbestimmte Erholung“ der Arbeitnehmer/in (BAG Urt. v. 20.06.2000 – 9 AZR 405/99). Nach dem Europäischen Gerichtshof dient Urlaub dazu, „sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen“ (EuGH Urt. v. 20. Januar 2009 – C-350/06). In Unternehmen mit Tarifbindungen finden sich häufig Regelungen zum Urlaub, die über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehen und vorrangig zu beachten sind.

Pandemiebedingt kam es ab März 2020 zu teils vollständigen Auftragsausfällen. Abgefedert wurde das in vielen Unternehmen durch den Einsatz von Kurzarbeit. Statt zur vertraglich vereinbarten Arbeitszeit werden die Arbeitnehmer/innen bei Kurzarbeit nur zu einer reduzierten Arbeitszeit herangezogen. Bei „Kurzarbeit null“ entfällt die Arbeit vollständig. Dafür ist eine ausdrückliche Regelung notwendig, entweder zwischen Arbeitnehmer/in und Arbeitgeber, im Wege einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag.
Strittig ist, was bei Kurzarbeit mit dem Urlaubsanspruch der Arbeiternehmer/innen geschehen soll: Bleibt er im vollen Umfang bestehen oder wird er an die tatsächlich geleistete Arbeitszeit angepasst, also gekürzt?
Dazu hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf eine Entscheidung getroffen, die geeignet ist, Arbeitnehmer/innen von ihrer Rechtsverfolgung abzuhalten (Urt. v. 12.03.2021 - 6 Sa 824/20). Das Gericht hat entschieden, dass ein Urlaubsanspruch nur in dem Umfang besteht, in dem auch tatsächlich gearbeitet wird. Entfällt Arbeitszeit wegen Kurzarbeit, fällt anteilig auch der Urlaubsanspruch weg. Dafür beruft sich das Gericht auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
Damit stellt sich die Frage, ob Arbeitnehmer/innen jetzt davon absehen sollten, ihre ausstehenden Urlaubsansprüche weiter zu verfolgen und nötigenfalls den Klageweg zu beschreiten? Grundsätzlich gilt, dass noch keine endgültige Entscheidung vorliegt: Die Revision zum Bundesarbeitsgericht ist zugelassen.
Der Sache nach gibt es gute Argumente dafür, dass der Urlaubsanspruch fortbesteht. Das beste Argument ist, dass es keine Rechtsgrundlage für eine Kürzung des Urlaubsanspruchs gibt. Eine solche Kürzung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Ob eine Kürzungsregel durch Betriebsvereinbarung – wie sie in einigen Betrieben geschlossen wurde – zulässig ist, ist noch offen. Das LAG Düsseldorf beruft sich in seiner Entscheidung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Die dort entwickelten Grundsätze lassen sich aber nicht so einfach übertragen. Der EuGH hatte lediglich festgestellt, dass es grundsätzlich mit Europarecht vereinbar wäre, den Urlaubsanspruch bei Transferkurzarbeitergeld im Wege einer Betriebsvereinbarung zu kürzen. Wichtig ist, dass der EuGH damit nur Mindestanforderungen feststellt, über die die Nationalstaaten zugunsten der Arbeitnehmer/innen hinausgehen dürfen. Zur Rechtslage in Deutschland lässt sich dem Urteil also gar nichts entnehmen. Im deutschen Recht gilt weiterhin der Urlaubszweck einer „selbstbestimmten Erholung“. Die Kurzarbeit in der Pandemie ist mit einem selbstbestimmten Urlaub nicht zu vergleichen: Wegen der Ungewissheit von Dauer und Umfang der Kurzarbeit können Arbeitnehmer/innen ihre Zeit nicht „vorhersehbar und frei“ gestalten. Die Pflicht zur Arbeit kann kurzfristig wiederaufleben. Bezieher/innen von Kurzarbeitergeld können von der Agentur für Arbeit aufgefordert werden, sich am Tag des Arbeitsausfalls persönlich zu melden oder einer zumutbaren anderen Arbeit nachzugehen. Das hat mit selbstbestimmter Erholung nichts zu tun. Außerdem missachtet die Entscheidung des LAG Düsseldorf die Sondersituation pandemiebedingte Kurzarbeit, in der – anders als sonst – nicht vorrangig der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer/innen eingesetzt werden musste, um Kurzarbeit zu vermeiden. Dieses Entgegenkommen in der Krisensituation heißt aber nicht, dass die Arbeitnehmer/innen ihres Urlaubsanspruchs verlustig gehen, noch dass die Agentur für Arbeit die Kosten trägt.
Weil Urlaubsansprüche verfallen können, wenn sie nicht verfolgt werden, und mit dem Urteil des LAG Düsseldorf nicht endgültig geklärt ist, was mit diesen Ansprüchen geschieht, sollten Arbeitnehmer/innen ihre Ansprüche jedenfalls nicht einfach aufgeben.

Regelungsfragen des Home office nicht nur in der Pandemie

01. FEBRUAR 2021

Gemäß § 2 Abs. 4 der Corona-ArbSchV hat die Arbeitgeberin den Beschäftigten in Fällen von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten Home Office anzubieten. Das heißt, die Beschäftigten sollen ihre Tätigkeiten in der eigenen Wohnung ausführen, wenn keine zwingenden betrieblichen Gründe entgegenstehen. Damit ist nun erstmals, wenn auch pandemiebedingt, ein Anspruch der Arbeitnehmer*innen auf Beschäftigung im Home Office gewährt.

In der Vergangenheit war die Vergabe von Home Office-Arbeitsplätzen häufig Anlass für innerbetriebliche Konflikte. Trotz der materiellen und immateriellen Vorteile eines Home Office-Arbeitsplatzes (Einsparung der Fahrtzeit und der Fahrtkosten zum Betrieb; bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf) stand deren Vergabe bislang im Ermessen der Arbeitgeberin. Die jetzige Regelung verpflichtet die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer*innen einen Home Office Arbeitsplatz anzubieten, was die Arbeitnehmer*innen auch einklagen können.

Home Office ist aber auch kollektivrechtlich interessant, weil es sich bei § 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV um eine Vorschrift des Arbeits- und Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG handelt, die als konkretisierungsbedürftig anzusehen ist. Betriebsräte können deshalb bei der Frage, welche Arbeitsplätze für Home Office in Frage kommen, ein Mitbestimmungsrecht geltend machen und gegebenenfalls die Einigungsstelle anrufen.

Daneben steht Betriebsräten, wie bisher, bei der Ausgestaltung der Home Office-Arbeitsplätze ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu. Insbesondere Arbeitsplatzergonomie und die arbeitsschutzrechtliche Begehung von Arbeitsplätzen stellen hier regelmäßig ein Problem dar. Ein weiteres arbeitsschutzrechtliches Problem ist die Arbeitszeiterfassung im Home Office und damit der Schutz der Arbeitnehmer*innen vor Überlastung. Ebenso sind Fragen der IT-Sicherheit und des Datenschutzes zu regeln. Diese können mittelbar über das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geregelt werden. Auch die mitbestimmungsfreie Frage der Arbeitnehmerhaftung stellt sich im Home Office, die auf freiwilliger Basis geregelt werden sollte.

Es empfiehlt sich daher als Betriebsrat tätig zu werden und die zahlreichen Rechts- und Regelungsfragen in einer BV-Home Office
zu regeln.

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